Kultur der Begegnung - die W.O.L.S.-Räume

 

 

Alltag und Natur

 

Meine Wurzeln im Elektrischen Tal 2 haben meine Wahrnehmung der Natur über Jahrzehnte in verschiedener Weise geprägt. Dieser archaische Ort schenkte mir: Das Lernen aus intensiver Beobachtung während der Kindheit. Er begleitete mein Entdecken elementarer Kunstformen während der Studienzeit. Er ermöglichte mir das Ringen des Geistes um technische Innovation während der Zeit des Flugzeugbaues, und last not least fördert er in mir während der letzten Arbeitsjahre mit den W.O.L.S. - Räumen das Entdecken der Natur als ein unendlich komplexes Gefüge. Natur ist Schön und Schrecklich zugleich. Dieser Ort lässt es mich ganz alltäglich spüren.

 

 

Strömung Grün, 1985, Dispersion auf grünem Karton, 100 * 70 cm

 

 

 

Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang,

den wir noch grade ertragen, und wir bewundern es so,

weil es gelassen verschmäht, uns zu zerstören.

Ein jeder Engel ist schrecklich.

Rainer Maria Rilke

 

 

 

Kreativität und Technik

 

Während der ersten Phase der industriellen Revolution, die zunächst eine Reaktion auf wachsende Bevölkerungszahlen Westeuropas im 18. Jahrhundert war, ermöglichten die altbewährte Nutzung der Wasserkraft durch Mühlen, und darauf folgend vor allen Dingen die Dampfmaschine die ersten Schritte zur Mechanisierung von Arbeitsprozessen. Zwischen 1760 und 1850 fand durch den zunehmenden Einsatz von Maschinen eine enorme technische, ökonomische und gesellschaftliche Veränderung statt.

Von 1870 an breitete sich die Anwendung technischer Systeme auf vielerlei Bereiche aus. Die Glühbirne, der Elektromotor das Radio, das Benzinauto, das Flugzeug und vieles mehr, waren Mosaiksteine eines Wirtschaftsystems geworden, das Elektrizität erzeugte und vertrieb, das Autos baute und verkaufte, Telefon - und Funknetze errichtete und Städte und Straßen entstehen ließ. Das Erfinden neuer Energiegewinnung schaffte ein neues Weltbild.

 

E-Werk um das Jahr 1900 Turbinenraum ca. 1899 Trubinenraum 1997 Turbinenraum 2002

 

Im Sommer 1896 war diese Entwicklung auch an der engsten und tiefsten Stelle eines Allgäuer Gebirgstals am Bach Ostrach angekommen. Geologisch-technische Fachleute, Vertreter der Gemeinde und Investoren trafen sich, um ihre Idee an diesem Ort zukünftig aus Wasserkraft Strom zu gewinnen nochmals in allen Punkten zu überdenken. Danach starteten sie ein mutiges und weit blickendes Unternehmen, die Allgäuer Kraftwerke GmbH. Die Firma wurde als 17. Überland-Elektrizitätswerk in Deutschland gegründet.

 

Am 1. August 1897 erzeugte das Kraftwerk Hinterstein, im Volksmund "Das Elektrische" genannt, den ersten Strom, um zunächst Sonthofen mit Energie zu versorgen. Nach einigen frühen Erweiterungsbauten des Hauses und über 100 Jahren uneingeschränkter Funktionsfähigkeit der beiden Francisturbinen aus der Gründerzeit, wurden im Jahr 1999 fundamentale Modernisierungsmaßnahmen eingeleitet. Dieser technische Umbau wurde nach einem Jahr mit der Inbetriebnahme einer vollautomatischen doppelregulierbaren Diagonalturbine abgeschlossen, die eine wasserzulaufabhängige Energiegewinnung gemäß der Naturschutzbestimmungen, bis weit in das neue Jahrtausend hinein ermöglicht.

 

 

Kunst und Arbeit

 

Zusätzlich zu meinem Kreativ- und Atelierbereich, den ich seit 1994 im Elektrischen eingerichtet habe, begann ich dort nach den Umbaumaßnahmen ab 2002 mit fünf Schau-Räumen im Innenbereich zu arbeiten. Mein Ziel war zunächst die Basisarbeit einer guten Galerie zu leisten, und meine Arbeiten über einen Entwicklungszeitraum von über 20 Jahren bis hin zur Gegenwart vorzustellen und zu verkaufen.

 

Nach einiger Zeit entwickelte ich im Sinne des erweiterten Kunstbegriffs auch für den historischen Hintergrund und die Außenräume des Natur- und Technikbereichs ein geistiges Konzept, um meine künstlerische Arbeit in die Idee eines Gesamtzusammenhangs einzubetten. Für Besucher wird nun an diesem Ort in Kunst-Gesprächen die Berührung von Natur, Kunst und Technik transparent und erlebbar. Kultur ist kein anonymes mediales Geschehen, kein Objekt der Repräsentation, sondern wird zu menschlicher Begegnung. Das "Leben im tiefsten Inneren" tritt hervor. Energie ist in ihrer vielschichtigen transitorischen Kraft spürbar.

 

Im Atelier Blick in die W.O.L.S.-Räume Außenansicht der W.O.L.S.-Räume Wasserkraft

 

Die W.O.L.S.-Räume sind dem Maler und Fotografen Wolfgang Otto Ludwig Schulze (* 1913 in Berlin, † 1951 in Paris) gewidmet. W.O.L.S lebte und arbeitete als Einzelgänger der Kunstgeschichte im Spannungsfeld von Wirklichkeit (Fotographie) und innerer Bilderwelt (Malerei).

 

Ähnlich entsteht bei den "Begegnungen" im Elektrischen das Äußere und das Innere, das Gesehene und das Ersehnte in jedem Gespräch neu. Ich arbeite mit einer großen Fülle von Materialien, die aus dem Naturerlebnis entstehen und aus der Zeitgeschichte der Technik auftauchen. Beide Themen bringe ich in Dialog mit der Kunst. Die Arbeit mit den W.O.L.S.-Räumen und ganz besonders mit deren Besuchern gleicht einer musikalischen
 

 

 

Improvisation:

sich erinnern, was gewesen ist,
um weiterspielen zu können,
und es im selben Augenblick
zu vergessen,
um frei zu sein.

 

 

 

  Erinnerung an L., 1372002HS, Acryl auf Leinwand 100 * 50 cm  

 


Termine nach Vereinbarung - Telefon: +49 (8324) 8182 - E -Mail: kunstmanagement@profanter.org